Männer für Bürgermeister

Jedenfalls eine Qual bei der Wahl weniger: Wir haben nur Männer zur Auswahl. Analysieren wir also einmal diese Männer, wie sie uns von den Altären der Neuzeit, den Wahlplakaten, entgegenlächeln, auf ihre Fähigkeit hin, zu den weiblichen Teilen in sich selbst und in der Bevölkerung zu stehen (Anima-Anteile). Zunächst: Lächeln tun sie alle. Grundsätzlich ist Lächeln eine Vorstufe des Lachens, das bekanntlich folgenden möglichen Hintergrund in der Menschheitsgeschichte hat: Entblößen der Zähne (= Waffen) zum Fassen, Schlagen und anschließendem Fressen. Bei diesem Akt entsteht jene Mimik, die wir heute als Lachen bezeichnen (beim Aus-Lachen treffen wir diese alte Motivation der Aggressivität wieder). Lachen-Jagen-Töten war nun eher Sache der Männer. Das Lächeln ist eine eher sanftere Variante weiblichen Antwortens auf den erfolgreichen Jäger der Vorzeit. Fakt ist: Besonders unsere diesjährigen Kandidaten-Männer bemühen sich ja in ihrem plakativen Lächel-Wettbewerb eben um das Gegenteil des Bildes, den anderen fressen zu wollen (wenn sie erst gewählt sind). Da ist zunächst der amtierende Bürgermeister, unser Vater Leifert. Er lächelt wie eine Mutter. Wahrscheinlich ist er sich am ehesten des Nachteils bewusst, den Frauen einen Ausgleich für die durchgehende Männlichkeit bieten zu müssen. Denn schließlich zeigt sich Leiferts Mut zum Lächeln und damit der weiblichen Seite auch durch die beiden Kinderchen, die ihn in seiner auch mütterlichen Leiblichkeit auf das Wahlplakat begleiteten. (Übrigens ist immerhin eines von beiden ein Mädchen). Ausschließlich (stadt-)väterlich, wenngleich doch mit sehr milder Männlichkeit lächelt unser Wolfgang Mocek. Er hat zwar die Lippen geöffnet (Beiß-Haltung...), aber eben nur leicht. Außerdem glaubt man ihm die guten Absichten, weil (auch) er keinen Bart trägt (Unterstreichung des habituell weiblichen Anteils). Zudem trägt Mocek eine (neue?) Brille, deren schmaler Goldrahmen Sinn für Schmuck ausdrückt, also auch für durchaus Weibliches in ihm stehen könnte, welches das Schöne, Ästhetische in diese Welt (vielleicht nach Uelzen) bringt. Mocek hat die Kinder auf Papier nicht nötig. Er lebt mit Kindern und Enkeln sogar im Geschäft, wo es ebenfalls freundlicher zugeht, als die vielen Messer ahnen lassen. Ulrich Wenner ist frei von allem: Keine Kinder, kein ganz klares Ganzlippenlächeln wegen des Oberlippenbartes. Dafür ein kleines Unterlippengelächel. Dezent unauffällig platziert. Er erinnert die Reifen unter den Frauenwählern irgendwie an O. W. Fischer, nur daß der eben mehr Rolle(n) spielte. Was den Hachmann betrifft ist klar: Er ist ein kluger Führer bisher. Nur, daß er eben keine Gruppe hat, die ihn auf ein solches Schild hebt wie die Gallier die Ihrigen, (Und Gruppe) wird in der Sozialpsychologie meist als „Mutter" gesehen). Hachmann ist mutig und es ist nur zu hoffen, daß diesem einsamen Rufer in der Wahlbeamtenwüste die Chance zum Klavierspiel im Schlusswahlkampf gegeben wird. Denn wer Udo Hachmann Bachs Italienisches Konzert hätte spielen hören (besonders den Mittelsatz) - der würde auch ihm seine Anima abnehmen. Raimund Nowak hat sie, diese Gruppe, die sonst so viel Grünes (= frauliches Hoffnungsprinzip) im Wappenschild führt. Aber: Ich bin genau 14 Straßen abgefahren kein Plakat. Und Ulfert Zergiebel - nun, jedes deutsche Alphabet schließt mit einem Z" und die .Z's" sind (hoffentlich) diese Schlusslichtrolle gewöhnt.

10. September 1991